Wiedersehen nach langer Zeit als Gartenzwerge.

So stellen sich die Chinesen die Deutschen vor, nachdem sie den deutschen Pavillon besucht haben.

Diese Woche ist unser erster Besuch aus Deutschland eingetroffen. Ex-Kommilitone Pauli ist für knapp 14 Tage beruflich in Shanghai und nachdem wir uns lange nicht gesehen hatten, wollten wir die gemeinsamen Tage in der Stadt

ausnutzen. Das Wochenende begann mit einem Widersehensbier in unserer “alten” Wohnung. Anschliessend ging es auf eine Privatparty bei Freunden in der “French Concession” (Stadtviertel), welche in einer Reise durch die alkoholischen Erzeugnisse dieser Welt endete. Neben Rum aus der Karibik, Bier aus China, Wein aus Frankreich und Cocktails aus dem Mixer gab es irgendwann auch Jägermeister aus Deutschland und diverse, andere Exoten – alles bunt gemischt und die perfekte Basis für den anstehenden Expobesuch am nächsten Tag.

Fast als wäre es abgesprochen gewesen, trafen wir Pauli zufällig in der Metro auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt (keine Selbstverständlichkeit in einer 20-Millionenstadt) und den Rest der Truppe auf dem Expogelände. Under Ziel für diesen Tag lautete: Möglichst viele Pavillons besuchen und dabei möglichst wenig (bis gar nicht) anstehen. Dazu muss man wissen, dass für die Laufzeit der Expo mit 70 Millionen Besucher gerechnet wird. Diese Massen an Menschen werden wie Vieh durch die Länderpavillons geschleust und die durchschnittliche Anstehzeit vor diesen beträgt zwischen 1,5 und 7!! Stunden für die beliebtesten Stände. Vor dem Saudi Arabischen wurden vor zwei Wochen sogar 8 Stunden gemessen. Das wollten wir uns definitiv ersparen.

Der Vorteil am Expatsein ist, dass man hier sehr schnell sehr viele Menschen aus allen möglichen Winkel dieser Erde trifft. Und nicht wenige davon sind hier weil sie auf der Expo arbeiten. Diese Beziehungen wollten wir nutzen und haben uns im Vorfeld für mehrere Pavillons auf die VIP-Gästelisten setzen lassen. Ob das geholfent hat sollten wir im Laufe des Tages herausfinden.

Von uns zwar nicht besucht, aber dennoch schön anzusehen: Brasiliens Expopavillon.

Von uns zwar nicht besucht, aber dennoch schön anzusehen: Brasiliens Expopavillon.

Der Besuch begann sowieso erst mal gemütlich im Restaurant des schweizer Pavillon bei einer Art Brunch, bestehend Raclette, Bündnerfleisch, Rivella und Mövenbpickeis. Anschliessend gings zum Amerikanischen Pavillon, wo das mit der VIP-Liste tatsächlich funktionierte und wir vorbei an tausenden, wartenden Menschen direkt eingelassen wurden. Die Präsentationsweise der USA war etwas eigenartig. In drei einfallslosen Videoshows wurde Amerika als das ach so grüne Land gepriesen – kann man glauben, oder auch nicht.

Es folgte eine Privatführung ohne Schlangestehen durch den mexikanischen Pavillon (danke an Ruth aus Mexiko an dieser Stelle) und durch den Deutschen (auch hier standen wir auf der Liste) in dem wir etwas überrascht über die Aussendarstellung mit Gartenzwergen, “Freudeschöner Götterfunken”-Karaoke und einer sehr skurrilen “Energiezentrale” in der Menschen durch schreien eine riesige Videokugel pendeln lassen konnten waren.

Das etwas deformierte Roboterriesenbaby im spanischen Pavillon steht angeblich für die Zukunft.

Das etwas deformierte Roboterriesenbaby im spanischen Pavillon steht angeblich für die Zukunft.

Anschliessend bekamen wir von Kenza eine Führung durch den Spanischen Pavillon (einer der bestgemachten meiner Meinung nach) inkl. überdimensionalem Roboterbaby, Thailand (auch sehr gut gemacht, inkl. 3D-Show) und Australien (enttäuschend). Bei keinem Pavillon standen wir tatsächlich länger als 5 Minuten an. Wenn man denkt, dass viele Chinesen in dieser Zeit 2 bis maximal 3 Länder besuchen, dann hat das Ausländersein doch seinen Vorteil.

Nach Australien hatten wir genug von der Hitze und vor allem von den unglaublichen Menschenmassen und fuhren ins “Lost Heaven” zum gemeinsamen Abendessen mit der ganzen Truppe und mit anschliessendem Cocktail auf der Dachterrasse, die zu einer der schönsten in dieser Stadt zählt.

Besser als stehen: Glück für ein Kind dessen Eltern einen Trolley als Kinderwagen dabei hatten.

Besser als stehen: Glück für ein Kind dessen Eltern einen Trolley als Kinderwagen dabei hatten.

Am Sonntag war nach unserem Umzug von Tower 2 nach Tower 1 (übrigens dem 3. Umzug für mich innerhalb von 2 Monaten – aber die neue und jetzt endgültige Wohnung mit Aussicht auf den Budn ist der Hammer) dann Sightseeing und Shopping für Pauli angesagt. Nach dem Frühstück bie ElementFresh (unserem Hausrestaurant in dem wir Stammkunden sind) gings zum “South  Bund Fabric and Tailor Market”, wo Pauli zwei massgeschneiderte Anzüge und mehrere Hemden in Auftrag gab – und das zum Preis von einem C&A-Anzug in Deutschland. Anschliessend sahen wir uns noch den Bund mit der Pudonger Skyline und die Nanjing-Road inkl. Besuch bei Lisas Fake-Market an. Abendessen gabs anschliessend bei “Simply Thai” in der French Consession und zum Abschluss noch eine 1-stündige Full-Body-Oil-Massage bei mir ums Eck für gerade mal knappe 20 Euro.

Pauli werde ich erst im Dezember beim alljährlichen FH-Reuniontreffen wiedersehen, aber dafür kommt schon nächste Woche der nächste Besucher an: Rene.

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Pro Patria

1 Aug
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Alphornbläser auf dem Dach des schweizer Expo Pavillons. Ein skurriles Bild.

Alphornbläser auf dem Dach des schweizer Expo Pavillons. Ein skurriles Bild.

Man sagt den Schweizer nach, dass sie ein patriotisches Volk sind und hat damit sicherlich nicht ganz Unrecht. Und was dem Schweizer mindestens so wichtig wie Schokolade, Berge und Käse ist, das ist der Nationalfeiertag, der alljährlich am 01. August feierlich angegangen wird. Nun habe ich schon viele 1. August-Feiern miterlebt, aber dieses Jahr war es dann doch ein spezielles Erlebnis. Ein Kollege (Schweizer) hat über den Shanghaier Auslandsschweizerverein Karten für die 1. Augustfeier im schweizer Pavillon auf der Expo besorgt, der für diesen Anlass extra für die (chinesische) Öffentlichkeit gesperrt wurde (übrigens sehr zum Unmut der Chinesen, die vor allem auf den Sessellift abfahren, mit dem man durch und über den Pavillon fahren kann).

Es war mein erster Besuch auf der Expo und im Vorfeld wurde schon viel über die unglaublichen Menschenmassen, die langen Schlangen und das riesige Gelände berichtet. Doch wenn man dann zum ersten mal wirklich dort ist, bleibt man dennoch mit offenem Mund stehen. Das Gelände ist unglaublich riesig und vor dem Pavillons schlängeln sich Menschenmassen in überdachten Wartegattern, die zeitweise mit Wasserniesel besprüht werden in der Gluthitze und warten bis zu 3 Stunden!! um in den Pavillon gelassen zu werden (wo der gemeine Chinesen übrigens nichts angeschaut, sondern nur auf kürzestem Weg zum “Stempelstand” eilt um den begehrten Tintenabdruck in seinen Expo-Pass drücken zu lassen, bevor er sich in die nächste Schlange stellt).

Kulturaustausch in der Praxis

Kulturaustausch in der Praxis

Der Schweizer Pavillon befindet sich wie im echten Leben direkt neben dem deutschen und mit unserem 1. Augustanstecker wurden wir mit einem heimatlichen “Grüezi” eingelassen. Das Publikum hielt sich zahlenmässig sehr im Rahmen und so konnte man in aller Ruhe gemütlich durch den wirklich genial gestalteten Pavillon schlendern, wo sich an normalen Tagen 70.000 Menschen/Tag !!! durch die Gänge und Räume quetschen. Das Highlight dieses Pavillons, wenn nicht der ganzen Expo ist ein Sessellift, der sich durch den Stand in luftige Höhe auf das Dach schraubt, auf dem eine echte, schweizer Alpenwiese mit Bergen und Kuhglockengebimmel angelegt ist. Es ist ein absolut bizarres Bild, wenn man inmitten dieser Mollochstadt, der es durchaus an Grün mangelt über eine echte (importierte) schweizer Wiese mit Berggräser und Enzianen schwebt und dabei auf die Skyline dieser unglaublichen Stadt schaut.

Durch die wenigen, geladenen Gäste war der Sessellift nicht annähernd ausgelastet und so konnte man unbeschränkt seine Runden fahren und nur zum Bier oder Weisswein, die ebenfalls aus der Schweiz importiert waren, auffüllen kurz aussteigen. Ein Riesenspass. Gegen später gab es dann ein riesen Buffet mit allen möglichen Spezialitäten aus der Heimat, darunter bündner Rauchfleisch, Raclette, Servelat, Bratwurst und was das eidgenössische Herz sonst noch so begehrt und vor allem im Reich der Mitte vermisst.

Bizarr-kitschiges Highlight war im Lauf des Abends der Auftritt eines extra dafür eingeflogenen Jodlervereins und einem Alphornquartett, welches sowohl im, wie auch in den Alpenwiesen auf dem Dach des Pavillons spielte. Bei diesem Anblick ereilte uns ein unglaubliches Verlangen, Barfluss in einer schweizer Bergwiese zu stehen und mit etwas Überredungsgeschickt wurde uns erlaubt, was kein Chinese je zuvor durfte: Wir wurden auf das Dach gelassen und durften schuhfrei einen Spaziergang durch die Alpenlandschaft machen. Und das bei 38 Grad mit einem Apenzellerbier in der Hand. Das Erlebnis war grandios und es kam ein bisschen Heimweh auf.

Der Abend verlief dann nach obligatorischem Singen der Nationalhymne und traditionell langweiliger Ansprache der Bundespräsidenting wie es von einem Abend bei dem es Alkohol for free gibt eben erwartet wird und zusammen mit ein paar lustigen Schweizern (Gruss hiermit an die Weltreisenden) drehten wir zu später Stunde noch einige Runden mit dem Sessellift und gönnten uns mehr Racletteportionen als eigentlich möglich gewesen wären.