Zahnarztbesuch

25 Sep
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Ein jeder weiß spätestens seit dem Besuch der Zahnputzfrau in der Schule, die uns mit ihrer übergroßen Zahnbürste am übergroßen Plastikmund gezeigt hat, dass man die Zähne stets in Kreisen putzen muss,  dass diese Kau-Tabletten, welche die schlecht geputzten Stellen gnadenlos sichtbar lila einfärben widerlich schmecken und dass das absolute Geheimrezept zu glücklichen, weißen und gesunden Zähnen aus mindestens zweimal täglich Putzen (in Kreisen), einmal wöchentlich Zahnseide und einmal alle 6 Monate einem Besuch bei der professionellen Zahnreinigung besteht.

Nun war diese halbe Jahr schon mehr als ein Jahr um und nachdem Freunde (zumindest waren es bis zu diesem Tipp noch welche) den Tipp gaben, dass professionelle  Zahnreinigungen hier in China  ja viel günstiger seien als in Europa und das bei gleichem Behandlungsniveau, hochmodernem und professionellem Equipment und guten Hygienestandards  - also meldeten wir uns voller Elan für eine solche Schäppchenbehandlung an. Ihr werdet euch alleine anhand der Tatsache, dass ich nun einen Blogeintrag über dieses Erlebnis schreibe vorstellen können, dass nicht ganz alles, was unsere Freunde da angepriesen hatten auch wirklich der Realität entsprach.

Nun weiß ja jeder (und diejenigen unter euch, welche in Deutschland wohnen und privatversichert sind noch besser), wie sowas normalerweise abläuft: Hingehen, im Wartezimmer das nach Krankenhaus riecht einen Lesezirkel-Spiegel von vor zwei Monaten durchblättern, aufgerufen werden, in einem Einzelzimmer gehen, dann erst Zahnstein entfernen, Zahnzwischenräume mit einer Art Schmiergel-Zahnseide säubern, Gel gegen sensitive Zähne auftragen, Ausspülen, Zähne polieren, nochmal Ausspülen, fertig. Natürlich ist alles klinisch rein, das Personal professionell, die Praxis so sauber dass man vom Boden Essen kann und auch sonst läuft alles Professionell ab.

Nun ja, was soll ich sagen. Hier war das dann etwas anders und ich möchte euch dieses Erlebnis nicht vorenthalten:

Dieser Zahn mĂĽsste auch mal wieder geputzt werden. Eingang zur "Zahnklinik"

Dieser Zahn mĂĽsste auch mal wieder geputzt werden. Eingang zur "Zahnklinik"

Bis Schritt eins (hingehen) war es ja noch wie in Europa, doch dann fingen die Unterschiede schon an. Von der „Praxis“ weiß ich bis jetzt nicht wirklich, was es eigentlich genau war. Draussen vor der Türe stand zwar ein Überdimensionaler, lachender Zahn aus Kunststoff, drinnen liefen jedoch auch Patienten mit eingegipsten Armen durch die Räume und auf Plakaten wurde offenbar Werbung für Augenlidoperationen und Brustverösserungen gemacht. Die Vorher-Nachher Fotos auf den Plakaten wirkten jedoch nicht überzeugend und so blieben wir bei der Zahnreinigung. Diese gibt es in zwei Varianten, wobei uns die Unterschiede bis heute unklar sind. Eine kostet 150 RMB (das sind ca. 18 Euro) und die andere Option rund das doppelte. Was in der einen oder anderen Behandlung enthalten oder anders ist konnte uns die junge Rezeptionistin mit ihrer Krankenschwesternhaube, die nur gebrochenes englisch sprach (die Rezeptionistin, nicht die Haube) leider nicht erklären und so kam sie kurzerhand aus ihrem Rezeptionistenverschlag, bat uns im Empfangsraum den Mund zu öffnen, zog etwas an der Lippe und fällte zugleich die ihre Diagnose: Einmal billige Variante und einmal teure Variante (für mich) – Begründung: „Your Gum not so good“. Aha – da hatte der Zahnarzt in Deutschland zwar noch nie was auszusetzen dran, aber wenn das die Rezeptionistin einer Zahnklinik in China sagt, dann wird es wohl so sein. Also gebucht: Einmal billige Variante und einmal teure, ohne jegliches Wissen was das bedeutet.

Es folgt die „Registrierung“. Die kostet für zwei Personen 22 RMB (das sind 2 Euro 50 – sofort und cash zu bezahlen) und man erhält dafür eine Plastikkarte von der ich nicht weiß wofür sie gut sein soll und eine Quittung die man angeblich bei der Krankenversicherung zuhause einreichen kann. Leider kann das ausgefeilte IT-System der Praxis darauf jedoch nur 6 Zeichen für den Namen drucken und so steht auf meiner offiziellen Quittung, welche gänzlich in Chinesisch gehalten ist jetzt schlichtweg: „Markus“. Ich bin optimistisch, dass die A-plus Versicherung das anstandslos akzeptieren und den Riesenbetrag von 32 Euro erstatten wird – schließlich gibt es sicher nur einen Markus in China und Missbrauch von Krankenkassenleistungen ist absolut auszuschließen.

"Lesezirkel" - Fehlanzeige. Das Wartezimmer ist eher eine Wartehalle und erinnert an einen Bahnhof. Direkt dahinter die BehandlungsstĂĽhle.

"Lesezirkel" - Fehlanzeige. Das Wartezimmer ist eher eine Wartehalle und erinnert an einen Bahnhof. Direkt dahinter die BehandlungsstĂĽhle.

Zur Registrierung gibt es dann auch noch ein „Disposable Dentist Instruments“ Set. Eine in Plastik eingeschweißte (angeblich alles steril, so steht es zumindest auf der Plastikfolie) Schale mit Mundschutz (für die Zahnreinigungsfrau), einem Einweg-Plastik-Zahnarztspiegel, zwei Aufsätzen für die allseits beliebten Zahnarztinstrumente und einen Einweg-Plastik-Speichelabsaugschlauch. Außerdem im Survival-Kit für Zahnpatienten enthalten ein Latz für um den Hals ohne den kein Zahnarztbesuch komplett ist und noch zwei, drei andere Dinge die ich nicht identifizieren konnte und die aber auch nicht zum Einsatz kamen. So ausgestattet setzt man sich dann in das Wartezimmer, welches eigentlich eine Wartehalle ähnlich der am Bahnhof ist und in der es keinerlei Zeitschriften, absolut objektiv informierende Broschüren der Pharmaindustrie oder Spielsachen für Kinder gibt. Stattdessen gibt es die Möglichkeit sich mal genauer anzusehen, wo man denn da genau hingelangt ist. Die Decke hat offensichtlich schon einige Wasserschäden mitgemacht und so blättert die Farbe über die gesamte Länge der Eingangshalle ab oder fehlt bereits. Die Scheiben wurden wenn überhaupt einmal vor Monaten das letzte Mal geputzt und über dem Schalter hinter dem die Rezeptionistin wohnt waren mal drei Lampen vorgesehen, welche offensichtlich jedoch nie geliefert wurden und so hängen jetzt drei unisolierte Kabel aus der Decke. Alles wirkt nicht wirklich sauber (gut, ist China – gehört also so) und schon gar nicht wie von den Freunden versprochen modern. Die Angestellten (ob das Ärzte, Arzthelfer oder Patienten sind lässt sich schwer sagen) tragen ziemlich in die Tage gekommene, hellblaue und rosa Gewänder und ein Herr der vermutlich Zahnarzt ist steht da mit weit geöffnetem Kragen an seinem dunkelblauen Doktorkittel, der seine Haarige Brust zur vollen Geltung kommen lässt. Ob man sich hier wirklich im Mund rummachen lassen sollte? Mir kommen erste Zweifel aber ich will natürlich kein Weichei sein und so bleibe ich sitzen bis zwei – ich würde sie mal Mädchen nennen – kommen. Eine in rosa Schwesternschürze, die zweite in hellblauer. Die beiden können natürlich kein Wort Englisch und deuten uns mit Handbewegungen zum „Behandlungsraum“.

Der Behandlungsstuhl hatte schon bessere Tage gesehen.

Der Behandlungsstuhl hatte schon bessere Tage gesehen.

Dieser ist eigentlich gar kein Raum sondern ein Schaufenster in dem sich drei reichlich in die Jahre gekommene Behandlungsstühle vor einer Glasfront aneinanderreihen. Zwischen den Stühlen: Keine Wände, keine Scheiben – alles offen. Dafür kann man den Patienten von der vor der Glasfront verlaufenden Scheibe von der Straße aus quasi direkt in den Mund schauen. Die fehlende Diskretion ist mir ja noch egal, die Tatsache jedoch, dass alles reichlich abgenutzt und speckig aussieht, der Wasserhahn an meinem Behandlungsplatz dicke Rostspuren ins Waschbecken gezogen hat und auf der Ablage wo normal das medizinische Besteckt liegt irgendwer sein Mittagessen in Tubberdosen abgelegt hat und dass an meinem Behandlungsstuhl offensichtlich noch alte Blutflecken kleben vermittelt dann jedoch schon nicht gerade das, was man ein gutes Gefühl nennt.

Egal, jetzt sind wir so weit gekommen, jetzt ziehen wir es durch denken wir uns und nehmen auf den wackeligen Stühlen platz während die junge Dame dann auch gleich loslegt. Vor jedem Arbeitsschritt bestehe ich darauf, dass die leicht siffigen Instrumente auf die die vermeintlich sterilen Werkzeugköpfe montiert werden, nochmal vor meine Augen desinfiziert werden. Die Zahnreinigerin findet das zwar wohl vermutlich albern, gehorcht aber brav und ruft mir dafür während sie mit dem ekelhaft quietschenden Ultraschallgerät meine Zähne behandelt regelmässig „relax“ entgegen. Einfach gesagt.

"Relax" - Ausgestattet mit Einweg-Zahnbesteck machte sich diese junge Dame an meinen Zähnen zu schaffen.

"Relax" - Ausgestattet mit Einweg-Zahnbesteck machte sich diese junge Dame an meinen Zähnen zu schaffen.

Nach dem Ultraschall ist ausspülen und ausspucken in die ziemlich dreckige Spuckschale angesagt. Mein Nebenan (ein chinesischer Herr) tut das so, wie es sich für einen ordentlichen Chinesen auch gehört: Mit einem lauten KKKKrrrrrchhhhhhh holt er alles hervor was geht und befördert es gekonnt in die dafür vorgesehene Schale. Ich halte mich mit den Lauten zurück und weiter geht die Show: Jetzt wäre eigentlich der Sandstrahler an der Reihe (der nur im teuren Paket vorgesehen ist – das ist also der Unterschied). Leider dampft das Pulver beim anschalten des abenteuerlich anmutenden Geräts jedoch aus diversen Öffnungen und hüllt den Behandlungsplatz in eine nach Zitrone riechende Wolke – nur vorne aus der Düse wo was rauskommen sollte, kommt nix. Zu zweit versuchen die Mädels das Gerät dicht zu bekommen, schaffen es aber schlussendlich nicht und so verwendet sie das Gerät halt wild staubend während in meinem Mund kaum noch was vom Sandstrahlpulver ankommt.

Es folgt die Politur mit einem sich drehenden Gumminibbel und Politurpaste. Dieser Schritt ist aus Europa bekannt und dauert dort in der Regel ca. 15 Minuten. Hier dauert er 3 Minuten. Danach ist auch schon Schluss. Zahnseide, versiegeln, etc. : Fehlanzeige. Alles in allem hat maximal 20 Minuten gedauert. Wir sind jedoch froh von diesem Ort möglichst schnell wieder weg zu kommen und beschweren uns nicht (wie auch – unser Chinesisch ist noch nicht ganz auf dem Level um mit einer Zahnarzthelferin ĂĽber die Effizienz ihrer Zahnreinigung zu diskutieren).

Fast richtig.

Fast richtig.

Wieder bei der Rezeptionistin wird dann gezahlt, gestempelt (hier wird immer gestempelt wenn gezahlt wird) und mit unseren unleserlichen Belegen für die Krankenkasse verlassen wir erleichtert diesen Ort. Ob die Zähne wirklich sauberer sind als zuvor wage ich zu bezweifeln aber sicher ist, dass wir das nächste Mal wieder zum deutschen Zahnarzt gehen werden.

(A)live

25 Sep
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Es herrscht goldener Spätsommer in Shanghai – mit angenehmen, trockenen Temperaturen um die 25 Grad, blauem Himmel mit einem paar dekorativen Schäfchenwolken und verhältnismäßig frischer und sauberer Luft. Nach dem unausstehlich heiß-schwülen Sommer hat Mitte September die schönste Jahreszeit mit Abenden im Biergarten, Balkon-BBQ-Parties und Open-Air-Parties in diversten Roof-Top-Bars hier begonnen. Bis Mitte / Ende November bleibt es jetzt angenehm warm, trocken und sonnig, während die Zeit zwischen Juli und Ende August zuerst von heftigen Monsunregen und dann von unglaublicher Hitze gepaart mit Luftfeuchtigkeit weit über 90% geprägt war.

Jetzt ist es also schön und auch mein Leben kommt langsam wieder in geregelte Bahnen. Unser Monsterprojekt feierte am 5. September den sogenannten „go live“ (so nennt man das, wenn ein neues System, neue Prozesse oder eine Organisation „live“ gehen, also operativ genutzt wird) und seither freuen sich ein paar tausend  chinesische Mitarbeiter unserer Firma über harmonisierte, zentralisierte und strikt kontrollierte Prozesse und ein neues SAP-System. Das wiederum bedeutet nach den zahlreichen Nacht- und Wochenendschichten für das Projektteam und auch mich, dass wir nach sehr stressreichen und nervenaufreibenden Wochen vor dem Go-Live nun in sowas wie ein geregeltes Leben zurückkehren – ein Leben mit freien Abenden ohne stundenlange Telefonkonferenzen mit den Kollegen in Europa und ohne Wochenendschichten und in dem nach rund 6 Monaten ohne auch mal wieder Urlaub möglich ist.

Nachdem das gute Jahr das ich jetzt in China lebe bisher überwiegend von Arbeit geprägt war haben wir uns nun da das Projekt ruhiger wird vorgenommen, China besser kennenzulernen. Nach mittlerweile Besucher Nummer 25 kennen wir uns in Shanghai mehr als ausreichend aus und nach diverse Turitouren durch Nanjing Lu, People Square, Fake- und Fabric markets, Bar Rouge, Bund, Apartment, Gaga und wie sie alle heißen brauchen wir mal wieder was neues.

Wir werden die schöne Jahreszeit und die anstehende Feiertagssaison (golden week Anfang Oktober steht vor der Türe) also nutzen, um lange geplante Reisen endlich umzusetzen und zum Beispiel die Yellow Mountains, die Seidenstraße in Westchina, die Hafenstadt Xiamen und ein paar weitere Ziele zu erforschen. Gleichzeitig möchte ich mein noch immer sehr in den Kinderschuhen steckendes Chinesisch wieder vorantreiben und endlich mehr Zeit in das Training für den Shanghai Halbmarathon zu dem wir uns mit einer ganzen Gruppe angemeldet haben, investieren. Darauf trainiere ich jetzt zwar schon seit Mitte August, jedoch war es bisher schlichtweg zu heiß und schwül um draußen zu laufen und spätestens nach der dritten Trainingseinheit auf dem Laufband habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich eigentlich noch ganz sauber bin angesichts der Tatsache dass ich eine Stunde auf der Stelle gegen die Wand laufe um am nächsten Morgen mit schmerzenden Waden und Schienbeinen aufzuwachen. Aber Ziel ist Ziel und vorgenommen ist vorgenommen und so bleiben noch gut 60 Tage Vorbereitungszeit auf den Lauf am 04. Dezember in denen ich mich noch von rund 60 Minuten bei 9,5KM/H auf mindestens 2 Stunden bei gut 11,5 KM/H steigern muss wenn das gesteckte Ziel von einer Halbmarathonzeit unter 2 Stunden auch erreicht werden soll.

Ansonsten gibt es auch an der Besucherfront wieder Bewegung: Nachdem seit Retos Besuch im Juli niemand im Sommer herkommen wollte um Shanghai bei 40C zu erleben, sondern Bagger- und Zürichsee see in Deutschland oder der Schweiz bevorzugten (hätte ich auch hätte ich die Wahl gehabt) kommt nun wieder Leben in unser Gästezimmer. Erst letzte Woche kamen Sandkastenfreund Mike und Gina auf Ihrer Chinarundreise für eine Woche hier vorbei und ab Oktober bis Ende November  ist dann wieder Full-House mit netten Freunden aus Deutschland und besonders freuen wir uns auf Kenza und Flo, unsere Freunde aus Shanghai, die mittlerweile wieder in Deutschland wohnen, jedoch für ein paar Wochen zurück in die alte Heimat kommen und mit denen wir ein paar Reisen hier unternehmen werden.

Ansonsten gelobe ich jetzt wo ich wieder ein Privatleben habe Besserung in punkto Blogaktualisierung und hoffe dass es in der Heimat auch allen gut geht.