Heute beginnt nach dem chinesischem Mondkalender das Jahr des Hasen. Chinese New Year oder auch „Spring Festival“ wird dieses Ereignis genannt und es ist weitaus die wichtigste Feiertagserie des Jahres. Fast alle Chinesen haben 7 Stück am Tag frei – einen längeren Urlaub haben die meisten hier nie. Die Zeit wird wie bei uns für Familienfeiern, Essen und Feuerwerk genutzt.

Neujahr auf chinesisch: Was hier als Feuerwerk durchgeht würde bei uns als Kriegsmunition klassifiziert.

Neujahr auf chinesisch: Was hier als Feuerwerk durchgeht würde bei uns als Kriegsmunition klassifiziert.

Bereits seit einer Woche merkt man, wie sich das Leben dieser sonst so quirligen und nie schlafenden Stadt in Vorbereitung und Vorfreude auf die Neujahrswoche merklich verlangsamt. Die sonst so bedrängend volle U-Bahn war die letzten Tage morgens angenehm leer, auch um 8 Uhr oder abends nach der Arbeit bekam man problemlos ein Taxi und die sonst so chaotisch, lauten Strassen waren fast unheimlich leer und friedlich und sowieso sieht man viel weniger der 22 Millionen hier lebenden Menschen als sonst.

Viele Läden und Restaurants haben bereits geschlossen und Schilder in die Schaufenster gehängt auf denen man lesen kann, dass es nach dem 9. Februar wieder weiter geht. Sogar unser housekeeping-service in der Apartmentanalage ist eingestellt damit die A-is (Haushälterinnen) ihr Familien besuchen gehen können und im Office wurden bereits vorgestern die ersten Türen mit meterlangen Bändern versiegelt, da auch der Wachdienst eingeschränkt wird.

Viele Menschen verlassen Shanghai zu dieser Zeit um ihre Familien zu besuchen, die oft weit weg wohnen (und weit weg in China kann eine 30h Zug- oder Busfahrt bedeuten) und die, welche hier bleiben feiern das mit ohrenbetäubenden Feuerwerkskörpern bereits seit gestern Mittag. Diese Megaböller, die in Deutschland sicher niemals eine Zulassung erhalten würden – es sei denn als Kriegswaffe – sind teilweise fußballgroße, mit Schwarzpulver gefüllte Kugeln, welche zig Meter in die Luft katapultiert werden und bei der Explosion neben viel Lärm eine enorme Druckwelle entfalten, die Alarmanlagen von Autos und Roller in ein helles Hupkonzert einsteigen und Fensterscheiben vibrieren lassen.

Traditionelle, chinesische Feuerwerkskörper: Schön anzusehen und unglaublich laut.

Traditionelle, chinesische Feuerwerkskörper: Schön anzusehen und unglaublich laut.

Manche Heulerbatterien die man hier in den Läden kaufen kann sind so groß wie ein Esstisch und können ein ganzes Viertel gut 15 Minuten in Kriegsstimmung versetzen. Das ganze Böllern hält nicht wie bei uns eine Nacht an, sondern die ganze Woche und in der ist an durchgehenden Schlaf nicht zu denken. Bereits letzte Nacht (und eigentlich geht’s erst heute richtig los) sind wir mehrmals aufgewacht, weil wir dachten unser Wohnblock wird von Flakgeschützen beschossen.

Den Chinesen scheint’s zu gefallen, doch viele Ausländer fliehen vor diesem Bürgerkriegsspiel und verlassen das Land in ruhigere und oft auch wärmere Gefilde. So auch wir: Mit unseren neu erstandenen World-Traveler-Rucksäcken machen wir uns heute auf Rucksacktour nach Malaysia, wo wir von Kuala Lumpur aus das Land, den Jungel und die Strände erkundigen. Einen Reisebericht gibt’s nach unserer Rückkehr. Bis dahin euch allen ein erfolgreiches und glückliches „Year of the rabbit“ (今年兔).

Symbol für das "Jahr des Hasen", welches Zeit, Genuss und Harmonie bringen soll

Symbol für das "Jahr des Hasen", welches Zeit, Genuss und Harmonie bringen soll

Das neue Jahr beginnt in China entsprechend dem Mondkalender am Vollmondtag zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar (dieses Jahr Anfang Februar) und ist der wichtigste Feiertag des Jahres, welcher rund eine Woche mit Feuerwerk, Festzügen, Familienfeiern und Festessen ausgiebig gefeiert wird.  „Chinese New Year“ ist für die Chinesen, was für uns im Westen Weihnachten und Neujahr zusammen ist und für viele Einheimische die einzige Gelegenheit im Jahr, die oft weit entfernt lebende Familie zu besuchen. Und weil fast alle Menschen die Zeit nutzen, um sich entweder quer durch dieses riesige Land auf den Weg nach Hause zu machen oder im Kreis der Familien zu Hause sind um zu feiern, kommt das hektische Leben sogar in Riesenstädten wie Peking oder Shanghai in dieser Zeit weitgehend zum erliegen. Viele Läden und Restaurants bleiben das einzige Mal im Jahr geschlossen (hier hat alles grundsätzlich immer offen – auch samstags und sonntags und an sonstigen Feiertagen) und selbst die sonst so geschäftigen Taxifahrer stellen teilweise ihren Dienst ein.

2011 ist übrigens das Jahr des Hasen, welches angeblich eine Zeit in der Genuss, Harmonie und Sanftmut eine wichtige Rollen spielen bringen soll. Wir werden sehen, inwiefern sich das mit dem Go-Live meines Projekts verbinden lässt.

Wie bei uns finden auch hier in der Zeit vor diesem Ereignis alljährliche die Firmenfeiern statt, in denen man das vergangen Jahr in festlicher Atmosphäre ausklingen lässt.  Man sitzt dabei in großen Festsälen von namhaften Hotels an runden, geschmückten Tischen, isst, trinkt, unterhält sich, hört langatmigen Reden zu und manche Firmen verteilen Geschenke an ihre Mitarbeiter.

Hört sich an wie eine Firmenweihnachtsfeier bei uns? Bei weitem nicht!

Ich wünsche jedem, dass er einmal in seinem Leben in den Genuss kommt, Gast bei einer dieser bizarren Veranstaltungen zu sein, die Monate im Voraus meist von extra darauf spezialisierten und zu diesem Zweck angeheuerten Firmen akribisch  geplant werden. Jede Firma  die was auf sich hält lässt sich bei der Austragung der Neujahrsfeier nämlich nicht lumpen und so wurde in  unserem Fall neben einem Moderatorenpaar welches in oskarverleihungsmanier durch den Abend führte sogar extra ein Choreograph engagiert.

Man mag sich nun fragen, wozu für eine Firmenfeier einen Choreographen benötigt wird. Der Grund sind die zahlreichen Darbietungen wie Sketches, Lieder, Tanzvorführungen und Kunststücke, die traditionell einen solchen Abend füllen, aber nicht etwa von Leuten aufgeführt werden, die das richtig können, sondern in der Regel  von ganz normalen Mitarbeitern (die das meist nicht so gut können – aber trotzdem tun). Diese sind sich offensichtlich zu nichts zu schade und es scheint ihnen auch keine noch so skurrile Darbietung vor der ganzen Kollegengemeinschaft zu peinlich zu sein. Diese Vorführungen durchlaufen angeblich eine Art Casting bei dem der Chroeograph letztlich entscheidet, wer gut genug ist um bei der Feier vor großem Publikum auftreten zu dürfen. Man kann es sich bei uns in Europa kaum Vorstellen, aber angeblich ist die Anzahl derer, die sich gerne vor allen zum Affen machen wollen weit grösser als es der straffe Zeitplan erlaubt, warum es lange nicht jeder Möchtegerndarbieter auch wirklich in den Recall und letztlich auf die Bühne schafft.

Dass solche Auswahlkriterien überhaupt existieren verwundert dann vor allem in Anbetracht dessen, was das Publikum trotzdem noch so zu sehen und zu hören bekommt. Auf der Feier meiner Firma reichte das Angebot der Darbietungen von einer Lasershow zum Auftakt  über einen keybordspielenden Möchtegernmusiker, kindliche Spielchen in denen Ballons mit dem Hinter zum Platzen gebracht werden mussten, eine furchtbar schräg singende Cover-Girlband bis hin zu einer wirren Karatevorführung in der Coca-Coladosen eine wichtige Rolle spielten und einen Kollegen der einen lokalen Komödianten imitierte, jedoch lediglich ein paar erzwungene Freundlichkeitslacher im Publikum zu bewirken vermochte.

Das „Highlight“ der Vorführungen war ein extrem abstruser Auftritt des lokalen Top-Managements, welches nichts weiter tat, als in traditionellen, chinesischen Opernkostümen auf die Bühne zu kommen, pro Person ein Wort in den Raum zu schreien und dazu irgendwelche komische Posen einzunehmen. Während die chinesischen Kollegen ganz aus dem Häuschen waren, mit ihren Plastikhänden am Stil wild klatschten und Fotos machten was die Digicam aushielt, schauten sich die Westler nur verwundert an.

Ansonsten schenkte das Publikum den Vorführungen auf der Bühne generell eher  geringe Aufmerksamkeit.  Viel wichtiger war das Essen (wie hier üblich alles mit Knochen, Schale und Gesicht noch dran), das an runden Tischen à 10 Personen eingenommen wurde und zu dem neben Rotwein Cola, Sprite und Orangensaft aus Plastikflaschen serviert wurde. Dabei gehört es sich, mit den Getränken zu regelmäßig ausgerufenem „Kanbei“ (=auf Ex)anzustoßen und dabei mit seinem Glas von einem Tisch zum anderen zu gehen um möglichst mit jedem im Saal mindestens einmal getrunken zu haben. Das und die Trinkfestigkeit für die die Chinesen ja bekannt sind führte dann auch dazu, dass um 20:30 bereits die ersten Kollegen nicht mehr ganz trittsicher von Tisch zu Tisch wankten.

Etwas mehr Aufmerksamkeit als die schrägen Darbietungen, welche stets von billig riechendem Discorauch aus der Nebelmaschine, einer bunten Lichtshow und unglaublich laut hämmernder Musik begleitet wurden, erhielten die zahlreichen Verlosungsrunden. In einer Kombination aus Losziehen und abgefahrenem PowerPoint Glücksgenerator wurden über den Abend verteilt immer wieder Preise verteilt, vom Maniküreset (das jeder erhielt) über Thermoskannen und Wasserkocher bis hin zum Hauptpreis, einem TV-Set im Wert von 5000 RMB (etwa 550 EUR).

Letzteres gewann ein vor Freude sichtlich übermannter, junger Herr, der sich dafür im Gegenzug auf der Bühne minutenlang veralbern lassen musste, indem  er durch ein Megaphon aus Pappe immer und immer wieder den gleichen Satz ins Publikum schreien musste – was dieses offensichtlich wahnsinnig komisch fand, auf Nichtchinesen allerdings eher befremdlich wirkte.

Mit diesem „Höhepunkt“ ging der Abend dann nach exakt 2,5 Stunden zu Ende und so pünktlich wie die Feier, die genaugenommen eher eine Show mit Essen und Trinken war, begonnen hatte ging sie dann auch entsprechend dem Programm um punkt 21:00 Uhr zu Ende. Und zu Ende bedeutet nicht wie bei uns, dass der formale Teil vorbei ist und man zum gemütlichen übergeht und noch bis Nachts um vier mit den Kollegen trinkt und die Sekretärin mit dem Chef auf der Toilette verschwindet. Zu Ende bedeutet: Punkt 21:00 stehen rund 700 Gäste auf, ziehen Ihre Jacken an, verabschieden sich und sind weg.

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